Beim letzten Frauenfootball-Meeting des AFCV NRW war unter anderem auch die frischgebackene Cheftrainerin der Frauen-Nationalmannschaft, Nicole Manthey, zu Gast. Es gibt sicherlich nur wenige weibliche Coaches in Deutschland, die über mehr Erfahrung im American Football verfügen als die Hamburgerin. Nach ihrer Karriere als Spielerin übernahm Nicole Manthey verschiedene Funktionen als Ligaobfrau, als Leistungssportdirektorin der Damen im AFVD und als Sportdirektorin der Hamburg-Auswahl „HamJam“.

Nach Trainerjobs im Herren- und Jugendbereich, sowie in des Landesjugendauswahlen von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein übernahm die lizenzierte A-Trainerin 2020 und 2021 eine Dreifachfunktion als Head Coach, Offensive Coordinator und Quarterback-Coach bei den Hamburg Blue Devilyns in der Damenbundesliga. Seit Anfang Januar ist Nicole Manthey Head Coach der Damen-Nationalmannschaft.

Wir hatten die Gelegenheit, Nicole einige Fragen zur aktuellen Situation im Frauenfootball zu stellen.

AFCV NRW: Aktuell gibt es Überlegungen, für Frauen-Auswahlen der Landesverbände ein ähnliches Turnier wie das Jugendländerturnier der U18 zu organisieren. Hier werden bekanntermaßen Spieler für den Junioren-Nationalkader gesichtet und empfohlen. Ist es für die Damen Nationalmannschaft vorstellbar, solch ein Turnier zu kopieren?

MANTHEY: Aktuell ist das noch nicht möglich. Aber als langfristige Planung mit
interessierten Landesverbänden wäre ein Turnier im 11er-Football denkbar und wünschenswert.

AFCV NRW: Gibt es Interesse seitens der Nationalmannschafts-Coaches bei unseren Maßnahmen der GreenMachine Damen teilzunehmen?

MANTHEY: Wir freuen uns auf eine Einladung. Sofern unsere Coaches die zeitliche Kapazität dafür haben, kommen wir gerne auch zu Maßnahmen der Landesverbände.

AFCV NRW: Was hältst Du davon, ein einheitliches Drill-Book als Hand-out für Coaches der Vereine zu entwickeln, damit der Weg für die Spielerinnen in die Landesauswahlen und die Nationalmannschaft einfacher wird? So könnte für eine bessere Vergleichbarkeit sorgen und den Standard insgesamt anheben.

MANTHEY: Mein Ziel ist es, den Frauenfootball in Deutschland auf ein höheres Level zu heben. Das kann nur gelingen, indem wir gemeinsam daran arbeiten. Jeder Coach hat in ihrer oder seiner Mannschaft zwar unterschiedliche Voraussetzungen, aber einheitlichen Drills können da sicherlich helfen.

AFCV NRW: Stehen der Frauen Nationalmannschaft die gleichen Gelder zur Verfügung, wie der Jugend und den Herren?

MANTHEY: Allen Nationalmannschaften im AFVD haben das gleiche Budget. Parallel dazu versuchen engagierte Menschen wie unser Sportdirektor Michael Hübener Sponsoren aufzutreiben, was vor dem ersten Spiel zeitlich allerdings etwas knapp wird.

AFCV NRW: Wie sieht die Finanzierung für die Europameisterschaft aus? Es wird ja zwei Auswärtsspiele geben. Gibt es Planungen mit den Sponsoren die Reisekosten zu übernehmen?

MANTHEY: Ja, das wäre der Idealfall. Wir wollen die Eigenleistung der Spielerinnen möglichst geringhalten.

AFCV NRW: Gibt es schon konkrete Informationen zur Höhe der Kosten für die Spielerinnen? In den vergangenen Jahren sollen Spielerinnen nicht zu den Tryouts gegangen sein. weil sie sich das Projekt „Natio“ schlichtweg nicht hätten leisten können.

MANTHEY: Eine Nichtteilnahme von Talenten aufgrund finanzieller Hürden ist für mich absolut inakzeptabel. Wir sprechen hier von einem Leistungskader, in dem die besten Spielerinnen Deutschlands unabhängig vom finanziellen Hintergrund vertreten sein sollten. Ein Eigenanteil wird sich vorerst nicht verhindern lassen. Aber hier gibt es die Möglichkeit über den jeweiligen Landessportbund, Stadtsportbünde, Fördervereine, den Heimatverein und auch über den Landesverband finanzielle Unterstützung zu erhalten. Hier werden wir den Spielerinnen beratend zur Seite stehen.

AFCV NRW: Es gibt viele gute weibliche Coaches in Deutschland und auch international. Ist es geplant, vermehrt Frauen in Coaching Positionen zu bringen?

MANTHEY: Ich würde mich sehr freuen, wenn mehr weibliche Coaches den Mut aufbringen, sich für ein Traineramt in den Landesauswahlen oder der Nationalmannschaft zu bewerben. Sie haben ja immer auch eine gewisse Vorbildfunktion. Die Qualität ist auf jeden Fall vorhanden. Wir haben im neuen Coaching Staff bereits einen weiblichen Coach mehr als letztes Jahr.

AFCV NRW: Gibt es die Überlegung, auch Coaches aus anderen Ländern für Camps anzuheuern?

MANTHEY: Eher nicht. Wir haben im Bereich Frauenfootball historisch gesehen viel mehr Erfahrung als andere Länder und verfügen in Deutschland über sehr gute Coaches. Wenn wir von deren Wissen profitieren können, haben wir schon viel gewonnen.

AFCV NRW: Wer wählt aktuell die Spielerinnen für die Nationalmannschaft aus und wie werden die Spielerinnen vorher gesichtet? Früher gab es die Sorge, ob berechtigt oder nicht, dass teils eher nach Sympathie als nach sportlicher Leistung ausgewählt wurde.

MANTHEY: Das Trainerteam der Nationalmannschaft wird aus alten und neuen Coaches bestehen. Die angesprochenen Konflikte sind uns bekannt. Jede Spielerin muss sich in diesem Jahr neu beweisen. Es wird zwei offene Tryouts geben in Nord- und Süddeutschland geben. Das Talent von Spielerinnen nur anhand von Videos zu beurteilen, davon halte ich nichts. Für Athletinnen, die nicht an einem der beiden Termine teilnehmen können, wird dann gegebenenfalls versucht, eine alternative Lösung zu finden.

AFCV NRW: Kannst Du uns sagen, wann diese Tryouts stattfinden sollen und welche Termine stehen sonst schon fest?

MANTHEY: Wir werden am 25. März ein offenes Try Out in Oldenburg durchführen und am 26. März findet ein offenes Try Out in Erlangen statt. Das erste Trainingscamp ist dann für Mitte April angesetzt. Einem Monat später folgt dann das zweite Camp. Mai. Am 28. Mai Pfingstsonntag findet das erste Spiel statt. Ende August folgt dann das zweite Spiel in Spanien, auf das wir uns mit zwei Camps Ende Juli und Mitte August vorbereiten wollen. Wir haben also einen ordentlich vollen Kalender in diesem Jahr.

AFCV NRW: Jeder Coach hat ja seine ganz eigene Philosophie. Wie sieht Deine aus? Welche Ziele willst Du in den kommenden Jahren erreichen?

MANTHEY: Zuerst einmal will ich das Beste aus der aktuellen Situation machen und doch einiges umkrempeln. Viele Probleme sind ja bekannt und daran arbeiten wir gerade mit Hochdruck. Der Frauenfootball in Deutschland soll sich insgesamt weiterentwickeln und Spielerinnen bzw. weibliche Coaches sollen gefördert werden. Außerdem wollen wir unsere Kommunikation mit den Spielerinnen verbessern .

AFCV NRW: Ist geplant, mehr Aufmerksamkeit für die Frauen-Nationalmannschaft zu generieren zum Beispiel über Soziale Medien etc.? Vielleicht auch in Kooperation mit den Vereinen?

MANTHEY: Auch das ist eine unserer Baustellen, an der wir zügig arbeiten. Es soll ein neues Brand „Damen Natio“ entstehen. Hier möchte ich auch meine berufliche Expertise mit einfließen lassen.

AFCV NRW: Muss man Mitglied eines deutschen Football-Vereins sein, um in der Natio spielen zu können? Bisher konnten Spielerinnen, die im Ausland aktiv sind, nicht an den Maßnahmen teilnehmen.

MANTHEY: Nein, das ist möglich, die deutsche Staatsbürgerschaft ist allerdings Voraussetzung. Die Versicherung würde in solch einem Fall über den AFVD erfolgen.

AFCV NRW: Vielen Dank für die Antworten auf unsere Fragen. Wir wünschen Dir und Deiner Trainercrew viel Erfolg für das Sportjahr 2023.

Bildquelle: AFVD.